Die Scheeßeler Mühle in den Jahren 1830 bis 1859

Im Jahr 1828 hatten Leopold und Magdalene Müller die Pacht der Mühle übernommen. In das erste Jahr ihrer Wirtschaft fiel der Neubau der Mühle unter Leitung des Landbaumeisters Wundram.

Leopold und Magdalene Müller

Über diese neugebaute Mühle liegen umfassende Informationen vor. Der Antrieb war gegenüber der Technik der alten Mühle stark verbessert worden. Durch Stirnräder konnten mit einem Wasserrad nicht nur zwei Gänge gleichzeitig angetrieben werden, sondern es bestand zudem der Vorteil, dass die Gänge aufgrund der größeren Übersetzung schneller laufen konnten, als bei dem Getriebe der alten Mühle.

Auch das Aussehen der Mühle lässt sich anhand der Baupläne und der vorhandenen Gebäudesubstanz rekonstruieren. Die Korn-Mühle (das rechte Gebäude) war auf den Wasserseiten massiv gebaut, da eine Fachwerkkonstruktion wegen des Spritzwassers der Räder als zu anfällig angesehen wurde. Nur auf den Straßenseiten hatte die Mühle Fachwerk. Ein Verdeck über die Wasserräder kam erst 1838 hinzug. Es diente dazu, die hölzernen Wasserräder vor Witterungseinflüssen wie Regen, Sonnenschein und starken Temperaturschwankungen zu schützen.

Versuch einer Fotomontage der beiden Mühlen für das Jahr 1835

Auf der linken Wümmeseite wurde im Jahr 1834 vom Mühlenpächter eine Öl- und Lohmühle errichtet. Von der Technik dieser Mühle sind noch die Steine des Kollergangs erhalten. Verarbeitet wurde vor allem Rapssaat und Lohe für die Gerberei.

In der folgenden Zeit kam es in der Landwirtschaft zu weitreichenden Umbrüchen. Neue Dünge- und Anbauverfahren wurden entwickelt, die bisher stark parzellierten Felder mittels Flurbereinigungsverfahren zusammengelegt und nach und nach die Heide- und Moorflächen kultiviert. Durch die Vergrößerung und bessere Bewirtschaftung der Anbauflächen konnten die vorhandenen Wassermühlen den Mahlbedarf nicht mehr decken. Die Folge war, dass der Staat dazu überging, Windmühlen und erste Dampfmühlen zu konzessionieren.
Auszug aus dem Schreiben von Leopold Müller an die Herrschaftliche Domainenkammer wegen der Verlängerung seines Pachtvertrags im Jahr 1841

„Die Ansprüche der Mahlgäste (gehen) so weit (...), dass man dabey verzweifeln sollte. Früher war es Gebrauch, dass der Bauer sein Korn zur Mühle brachte, es abtrug, allenfalls besorgte der Müller das Aufschütten, der Bauer sackte sein Mehl ein und brachte es auf den Wagen. Bey der Abfahrt bekam er wohl einen kleinen Schnaps. Das Brodkorn wurde geschroten und für den Buchweizen gebeutelt. Ohne Matte wurde der sogenannte Beutelschilling bezahlt. Jetzt ist es anders: Der Mahlgast fährt seinen Wagen vor die Mühle, das Korn wird ihm abgetragen, der größte Theil soll gebeutelt werden für die gewöhnliche Matte, der Schilling Beutelgeld wird nicht mehr bezahlt, der Bauer geht in die Mahlstube, wo nebst Butter, Brod und Käse auch mitunter wohl Caffee verlangt wird, und ist der Müller manchmal nicht allein dazu genötigt, die Pferde anzuspannen, sondern auch noch den Bauern selbst nach dem Genuss des vielen Branntweins auf den Wagen zu tragen.“

Auch für die Scheeßeler Mühle hatte dies Folgen, denn eine Reihe der bisherigen Mahlgäste war der Mühle nicht zwangsverpflichtet. Um diese freien Mahlgäste entstand zwischen den Mühlen Konkurrenz, was sich wiederum auf die Rechte der Zwangsmahlgäste auswirkte, denn der Müller musste alle seine Kunden schließlich gleich behandeln. Nun war der Kunde König, nicht mehr der Müller, wie das links stehende Schreiben von Leopold Müller verdeutlicht.

Um im Wettbewerb bestehen zu können, mussten die Mühlen immer effizienter hinsichtlich Ausbeute und Qualität des Mehls werden: Die Gebäude mussten vergrößert werden und neue Maschinen waren anzuschaffen. Die traditionelle Pächter-Verpächter Struktur auf der Scheeßeler Mühle war dieser Entwicklung hinderlich, denn der Staat als Verpächter konnte schwerlich beurteilen, was vor Ort an Verbesserungen erforderlich war.

Konsequenz dieser Entwicklung war der meistbietende Verkauf der Mühle im Jahr 1859. Käufer war der bisherige Mühlenpächter Leopold Müller.